Im Zımzım Kindergarten in der Stadt Diyarbakir – kurdisch Amed – finden kurdische Kinder einen sicheren Ort, um ihre Lebensfreude und Kreativität neu zu entdecken. Mit Unterstützung der Lehrer*innen stärken die Kinder das Vertrauen in sich und das Leben.

Anita Escher & Maja Hess

Viele Kinder im Zımzım Kindergarten stammen aus Sur, der Altstadt von Diyarbakir. Dort lebten mehrheitlich kurdische Familien, die aus ländlichen Gebieten auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in die Stadt gezogen waren. Als 2014 Gültan Kisanak und Firat Anli, zwei mutige kurdische Politiker*innen und Mitglieder der Demokratischen Partei der Völker HDP, zu Ko-Bürgermeister*innen von Diyarbakir gewählt wurden, wuchs die Hoffnung auf mehr Recht und Freiheit für die kurdische Bevölkerung. Dieser Hoffnung setzte die türkische Armee 2015 ein brutales Ende mit der Zerstörung des historischen Stadtteils Sur sowie durch die Vertreibung und Verfolgung von kurdischen Menschen. Viele Zivilist*innen, auch Kinder, wurden dabei getötet. Heute stehen in Sur neue Betonbauten, in denen nun Anhänger*innen der türkischen Regierungspartei AKP wohnen.

Traum eines kurdischen Kindergartens

Schon lange war es der grosse Traum einer Gruppe engagierter kurdischer Lehrer*innen und Ärzt*innen in Amed, einen Kindergarten einzurichten, der den Kindern die kurdische Sprache und Kultur näherbringt. Jahrzehntelang war es in der Türkei ein Verbrechen, kurdisch zu sprechen. In den Schulen wurden Kinder geschlagen und bestraft, wenn sie ihre Muttersprache benutzten. 2016 wurde der Zımzım Kindergarten in Zusammenarbeit mit sozial-politisch engagierten Eltern gegründet. Die Kinder werden in ihrer Muttersprache Kurmanci unterrichtet. Ein besonderer Fokus wird auf die kreative Sprachentwicklung gelegt. Aufgrund der politisch feindlichen Situation, kann Zımzım jedoch nicht öffentlich als kurdischer Kindergarten benannt werden.

Erlebtes Lernen

«Im täglichen Morgenkreis teilen dievKinder ihre Erlebnisse und lernen so, ihre Gefühle auszudrücken und sich gegenseitig zu verstehen», berichtet eine Lehrerin. «Dies ist besonders wichtig, weil viele Kinder traumatische Erfahrungen mitbringen.» Es wird viel Wert auf die individuelle und soziale Entwicklung gelegt. Durch gemeinsames Spielen, Turnen, Aktivitäten in der Natur und Bastelarbeiten wird die körperliche und feinmotorische Entwicklung und Kreativität gefördert. Einmal in der Woche erhalten die Kinder Musikunterricht. Zudem helfen sie beim Kochen und bekommen jeden Tag eine nährstoffreiche, gute Mahlzeit. Aufgrund der Corona-Massnahmen wurde im letzten Jahr noch stärker auf Aktivitäten im Freien gesetzt. Beim Besuch eines Ökodorfes durften sich die Kinder an den landwirtschaftlichen Aktivitäten beteiligen und konnten Insekten, Würmer und Pflanzen beobachten. «Es ist wichtig, den Geruch und die Farben der Blumen zu sehen und zu spüren. Durch das Spielen im Freien bei jedem Wetter wird der Körper der Kinder gestärkt. Unser Ziel ist es, den Kindern ganzheitlich Lern- und Lebenskompetenzen zu vermitteln, abseits von geschlossenen Räumen und strukturiertem Spielzeug. Sie sollen sich zu selbstbewussten, kreativen Menschen entwickeln, die ihre Umwelt entdecken und Erkunden,» bekräftigt die Lehrerin.