Seit dem 5. Oktober greift die Türkei erneut Rojava an. Unbeachtet von der Weltöffentlichkeit bahnt sich im Nordosten Syriens eine weitere humanitäre Katastrophe an. Der Kurdische Rote Halbmond ist pausenlos im Einsatz.

Maja Hess

Die Auftritte des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan der letzten Tage muten grotesk an und sind beunruhigend: Er spricht den «palästinensischen Schwestern und Brüdern» seine volle Solidarität aus, ehrt den «glorreichen Epos des Widerstands der Palästinenser*innen», insbesondere der Hamas, kritisiert das Vorgehen der israelischen Regierung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und fordert einen unabhängigen palästinensischen Staat. Gleichzeitig bombardiert er im Schatten der internationalen Öffentlichkeit und seiner populistischen Politik Nordostsyrien und zerstört gezielt die Lebensgrundlagen der kurdischen Bevölkerung in der Region. Auch seine Angriffe gelten einem Volk ohne Staat, dessen Unabhängigkeit Erdogan hingegen auf jeden Fall verhindern will. Auch hier sind zehntausende bereits vertriebene Menschen von den Bombardierungen und der völkerrechtswidrigen Zerstörung von ziviler Infrastruktur betroffen und sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Es bahnt sich kurz vor dem Winter eine weitere humanitäre Katastrophe an.

Permanenz der Krise

Im Rahmen der neuen türkischen Militäroffensiven gegen Rojava wurden gemäss der Selbstverwaltung bereits 80% der lokalen zivilen Infrastruktur zerstört: Wasser- und Energieversorgung, Krankenhäuser und Schulen, Ölfelder, Fabriken und Warenlager. Zwei wichtige Krankenhäuser in der Region Cizîrê und Kobanê mussten ihren Betrieb vollständig einstellen. Das lebenswichtige Kraftwerk Suwaydiya wurde schwer beschädigt. Ein Grossteil der Bevölkerung lebt in akuter Ernährungsunsicherheit und Tausende Kinder müssen ihre Schulbildung unterbrechen. Nach dem verheerenden Erdbeben im Februar und der anhaltenden Zerstörung durch die türkische Armee hat sich in der Region eine Permanenz der Krise eingestellt. Zum Weitermachen und zum Festhalten an den Möglichkeiten solidarischen Handelns gibt es für die medico-Partner*innen vor Ort aber gerade in dieser Situation der Not keine Alternative. Auch wenn es manchmal scheint, die Welt habe sie schon aufgegeben: Sie sind nicht dazu bereit, auf ihre Menschenrechte und auf die Hoffnung auf eine sichere Zukunft zu verzichten.

Fokus Trinkwasserversorgung

Mit Unterstützung von medico verteilt der Kurdische Rote Halbmond in Zusammenarbeit mit der lokalen Stadtverwaltung weiterhin Wasser an die Bevölkerung in den Vierteln von Hassakeh. Wegen der Beschädigungen der Alouk-Pumpstation in der vom türkischen Staat besetzten Region Sere Kaniye erlebt die Stadt eine schwere Krise in der Trinkwasserversorgung. Die mobilen Teams des Kurdischen Roten Halbmondes prüfen die Qualität des Wassers, bevor es an die Bevölkerung verteilt wird. Sobald wie möglich soll auch mit dem Aufbau von neuen Labors zur Analyse und Sicherung der Wasserqualität und der Ausbildung weiterer Fachpersonen gestartet werden.

Jetzt für die medico-Projekte in Kurdistan spenden!