Nach den neuen und anhaltenden Angriffen der türkischen Armee auf Rojava seit letzten Donnerstag erreichten uns nur zwei Tage später, am Samstag 07. Oktober, neue schockierende Nachrichten aus Palästina/Israel.

Wir sind entsetzt über die brutale Gewaltanwendung der bewaffneten Einheiten der Hamas gegenüber der israelischen Zivilbevölkerung, über die kaltblütige Ermordung und die Entführungen unschuldiger Menschen. Wir sehen und erahnen aber auch die kompromisslose militärische Antwort der israelischen Armee und die politische Antwort der israelischen Regierung gegenüber der gesamten Bevölkerung von Gaza: Bombardierung, totale Abriegelung, aushungern von 2.3 Millionen Menschen. Eine Bodenoffensive wird befürchtet. Wir denken an unsere Freund*innen in Gaza, die hilf- und schutzlos diesen Bombardierungen ausgeliefert sind.
 
Seit Ausbruch der Kriegshandlungen im Nahen Osten am Samstagmorgen sind in Palästina/Israel bereits mehr als tausend Menschen getötet worden, mehrere tausend wurden verletzt und die Zahlen steigen weiter an. Unser ganzes Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freund*innen der ungezählten Toten und Verletzten auf beiden Seiten. Wir verurteilen die Angriffe der Hamas auf zivile Personen in Israel und die grossangelegten Vergeltungsangriffe Israels auf die gesamte Bevölkerung in Gaza gleichermassen.

Bei der Beurteilung der aktuellen Eskalation müssen aber auch die historischen und sozialen Hintergründe und das Ungleichgewicht der Kräfte miteinbezogen werden. Verschiedene linke, auch israelische und jüdische Gruppierungen, wie zum Beispiel die israelische sozialistische Partei chadasch, die Vereinigung von israelischen Veteran*innen Breaking the Silence oder die amerikanische Organisation Jewish Voice for Peace, sind sich in ihren Statements einig: Dieser Krieg ist im weitesten Sinn ein Resultat der kolonialen Geschichte Palästinas und eine direkte Folge der jahrelangen, völkerrechtswidrigen Besatzung von Gaza und dem Westjordanland sowie der fehlenden Bemühungen der israelischen Politik um Friedensgespräche mit den Palästinenser*innen .
 
Die Zivilbevölkerung im abgeschotteten Gazastreifen ist im nun fünften Krieg zwischen der Hamas und Israel nicht nur den Bombardierungen durch die israelische Armee schutzlos ausgeliefert, sondern auch der israelischen Blockade-Politik. Die humanitäre und insbesondere auch die gesundheitliche Situation in Gaza ist aufgrund der seit 17-Jahren bestehenden Blockade extrem schwierig. Die vom israelischen Verteidigungsminister angekündigte komplette Abriegelung des Gazastreifens (kein Treibstoff, keine Elektrizität und keine Lebensmittel!) ist ein Angriff auf das Leben aller Menschen im Gazastreifen, insbesondere auf das Leben von Kindern, Frauen und kranken Menschen.
 
Bereits wird im Rahmen einer Gesamtverurteilung auch in der Schweiz über die Streichung von Hilfsgeldern für Palästinenser*innen diskutiert. Umso wichtiger ist es in der momentanen Situation, palästinensische Basisorganisationen, die sich für die Grundrechte der Zivilbevölkerung und für Demokratie, Frieden und Freiheit einsetzen, zu stärken. Dazu gehören auch die medico-Partnerorganisation Palestinian Medical Relief Society (PMRS) und das Gaza Community Mental Health Programme (GCMHP). Sie sind Hoffnungsträger*innen und geben unter Kriegsbedrohung und widrigster Umstände alles, um die medizinische Notversorgung aufrechtzuerhalten.
 
In der aktuellen Notsituation ruft die PMRS zur Unterstützung für die Ausrüstung und Mobilisierung ihrer Notfallteams im Gazastreifen auf. Gebraucht wird insbesondere Notfallmaterial, einschliesslich Erste-Hilfe-Kästen, Krankentragen und Sauerstoff für Inhalationsverletzungen. Weiter werden Medikamente wie Schmerzmittel, Anästhetika, Adrenalin, Herzmittel, Antibiotika gebraucht und Einwegartikel wie Verbände und Bandagen. Soweit unter den aktuellen Umständen noch möglich, bietet medizinisches Fachpersonal der PMRS auch via Notfall-Hotline psychosoziale Erste Hilfe und spezielle Unterstützung für Schwangere und Frauen nach der Geburt an. Um sofortige und auch langfristige Hilfe leisten zu können, sind sie auf unsere solidarische Unterstützung angewiesen. 

Vielen Dank für Ihre Spende!

> Während wir diesen Newsletter verfassen, erhalten wir laufend neue Nachrichten von unseren Freund*innen in Gaza. Die Intensität der Bombardierungen nimmt zu. Es werden Krankenhäuser und Ambulanzen beschossen. Viele Häuser sind bereits ohne Wasser und Elektrizität. Die Internetverbindung ist schlecht. Unsere Freund*innen haben grosse Angst. Sie beginnen, sich damit abzufinden, dass sie diese Angriffswelle nicht überleben werden - und dennoch träumen sie noch immer von einer sicheren Zukunft mit Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen, ungeachtet ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit.
> Wir versuchen, den Kontakt aufrechtzuerhalten und unterstützen, wo wir können.
 
In grosser Sorge um unsere Kolleg*innen und Freund*innen in Palästina und Israel
Ihr medico-Team