Die Quartierinitiativen von AfroAtenAs vernetzen verschiedene Bevölkerungsgruppen und Generationen und stärken so das soziale Gefüge. In der aktuellen Gesundheits- und Versorgungskrise sind Selbstorganisation und Zusammenhalt, aber auch internationale Solidarität besonders wichtig.

Barbara Klitzke

2021 war ein unruhiges Jahr für Kuba. Im Kontext der Corona-Pandemie spitzte sich die Versorgungskrise täglich weiter zu. Wegen des seit mehr als 60 Jahren andauernden Finanz-, Handels-und Wirtschaftsembargos der USA sind Lebensmittel, Medikamente und Treib-stoff knapp. Dazu kam der Wirtschafts-einbruch durch die Stilllegung des Tourismus als vorsorgende Massnahme in der Pandemie. Neben Knappheit und Teuerung hat die 2021 in Kraft getretene Währungsreform die Kaufkraft der Bevölkerung weiter verschlechtert. Unzufriedenheit und Verzweiflung über diese Situation trieben im Juli Teile der Bevölkerung auf die Strasse. Die gegen die Regierung erhobenen Vorwürfe der Misswirtschaft und Repression von Demonstrierenden sind beunruhigend. Alarmierend ist jedoch die Instrumentalisierung der Proteste seitens der USA: Es mutet mehr als heuchlerisch an, wenn US-Präsident Biden bekundet, seine Regierung stehe an der Seite des kubanischen Volkes, während er gleichzeitig an den Wirtschaftssanktionen gegen Kuba festhält.

Medikamente für Kuba

Das international anerkannte Gesundheitssystem Kubas wurde durch die Corona-Pandemie auf eine harte Probe gestellt. Angesichts der von Donald Trump noch einmal verschärften und von Joe Biden beibehaltenen US-Blockade, wird die Beschaffung von medizinischen Geräten, Medikamenten und pharmazeutischen Rohstoffen immer komplexer und teurer. Nichtdestotrotz hat es die Biotech-Industrie des Landes geschafft, gleich mehrere eigene Covid-19-Impfstoffe zu entwickeln. Und, getreu seiner seit jeher hochgehaltenen, inter-nationalistischen Prinzipien trägt Kuba aktiv zum Süd-Süd-Austausch von bio-technologischem Know-how bei und exportiert bereits seine trotz Mangel-wirtschaft entwickelten Impfstoffe Soberana 2 und Abdala. Im Gegenzug ist das Land in der Bewältigung der aktuellen Gesundheits-krise auf internationale Solidarität angewiesen. Die Wirtschaftsblockade hat nicht nur die nationale Impfkampagne behindert, sondern sorgt auch für einen extremen Mangel an Medikamenten – von Antibiotika über retrovirale Medikamente und Chemotherapeutika bis hin zu einfachem Aspirin. Deshalb unterstützte medico international schweiz 2021 die Solidaritätsaktion Medikamente für Kuba von mediCuba, die dringend benötigte medizinische Geräte, Spritzen, Medikamente und Roh-stoffe für die Arzneimittelherstellung nach Kuba liefern konnte.

Stärkung der Nachbarschaftshilfe

Die medico-Partnerorganisation AfroAtenAs arbeitet seit 2017 erfolgreich in der Quartierentwicklung in der Stadt Matanzas und widmet sich der Stärkung einer inklusiven und solidarischen Gesellschaft. Unter dem Einfluss der Pandemie und der Versorgungsnotlage hat AfroAtenAs seine Aktivitäten im letzten Jahr auf Nachbarschaftshilfe fokussiert. Promotor*innen und Freiwillige versorgten ältere, chronisch kranke und beeinträchtigte Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, mit Medikamenten und Lebensmittelpaketen und waren dank der Hausbesuche eine wichtige psychosoziale Stütze. «Solche Einsätze helfen nicht nur den betroffenen Menschen. Sie geben auch unserem Team und den freiwilligen Helfer*innen positive Energie, weil wir die Probleme als Gemeinschaft anpacken,» erzählt der Projektleiter Yoelkis Torres.

Ein besonderer Erfolg war die Wiedereröffnung der medizinischen Praxis Nr. 16 im Quartier Pueblo Nuevo. Nachdem der Gesundheitsposten sechs Jahre lang geschlossen war, konnte er nun auf Initiative von AfroAtenAs restauriert und neu ausgerüstet werden. Im August wurde der Betrieb aufgenommen. Im Moment konzentrieren sich die Behandlungen auf Patient*-innen, die an chronischen Krankheiten leiden, Menschen mit Beeinträchtigungen und Gewaltbetroffene. ´Wir setzen aber alles daran, das Angebot auf eine primäre Gesundheitsversorgung für die gesamte Nachbarschaft ausbauen zu können,ª erklärt Yoelkis.

Eine inklusive Gesellschaft ohne Gewalt

AfroAtenAs kämpft auf gesellschaftlicher und politischer Ebene gegen jegliche Art von Diskriminierung. Wegen der hohen Corona-Infektionszahlen wurden 2021 die Treffen mit Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen in kleinen Gruppen abgehalten. Im Oktober fand zum ersten Mal wieder eine grössere Veranstaltung statt: Auf Einladung des Kulturministeriums trafen sich der Verein Nuestras Manos die Tanzgruppe Okan Q’Si und die lokale Gehörlosenvereinigung zum Austausch. AfroAtenAs informierte über ihre Quartierarbeit und die solidarische Begleitung und Weiterbildung von Menschen mit körperlich und geistigen Beeinträchtigungen. Eine Führung in Gebärdensprache durch den Park Jardines Bellamar bildeten den Abschluss der Tagung. Weiterhin engagiert sich AfroAtenAs im Rahmen der nationalen Kampagne für ein Leben ohne Gewalt Violencia Cero und schafft geschützte Räume für die psychologische und psychosoziale Betreuung für Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt. Auf politischer Ebene engagiert sich AfroAtenAs mit der Kampagne Todos los derechos para todas las personas [Dieselben Rechte für alle Personen] für ein inklusives Familiengesetz und die Ehe für alle. «Gemeinsam machen wir mit viel Herz weiter. Jugendliche, Frauen, Kinder, Senior*innen, und LGBTIQ*-Menschen, wir alle sind sehr dankbar um die Unterstützung für unsere vielen kleinen Aktionen zur sozialen, mentalen und physischen Gesundheit in Matanzas und darüber hinaus,» so Yoelkis.