Am 14. Januar kam es in Guatemala zum erhofften Machtwechsel. Der Versuch den Antritt der rechtmässig gewählten Regierung zu verhindern, konnte durch massive soziale Proteste angeführt von den indigenen Bewegungen abgewendet werden. In den ersten Tagen im Amt trifft Bernardo Arévalo auf (erwartete) Probleme und setzt erste Akzente.

Alice Froidevaux

Nach 106 Tagen konstanter Proteste angeführt von den Indigenen Autoritäten des Landes kam die Erleichterung: Am 14. Januar wurde das Präsidentschafts-Duo Bernardo Arévalo und Karin Herrera von der sozialdemokratischen Partei Movimeinto Semilla nach einem weiteren Politkrimi-Tag im Amt vereidigt. Die Abgeordneten von Semilla hatten in einer turbulenten und umkämpften Sitzung erreicht, dass eine Mehrheit ihren Kandidaten Samuel Pérez zum Parlamentsvorstand wählte. Dadurch konnte Bernardo Arévalo als Präsident vereidigt werden. Doch bereits 5 Tage später dann der Rückschlag. Das Verfassungsgericht verfügte in einem Urteil, dass die Vorstandswahl wiederholt werden muss. Begründung: Semilla-Abgeordnete dürfen dem Parlamentsvorstand als «Unabhängige» nicht angehören. Zurückzuführen ist dieses Urteil auf die Kampagne des alten Establishments, die im Herbst dazu geführt hatte, dass den Sozialdemokraten der Rechtsstatus als Partei aberkannt wurde.

Bei den Neuwahlen musste Semilla also wohl oder übel Kompromisse eingehen. Dem neunköpfigen Parlamentsgremium gehören nun Abgeordnete von acht Fraktionen an. Während einige Anhänger der neuen sozialdemokratischen Regierung die Schaffung einer parteiübergreifenden Allianz als Stärkung für Semilla aufnehmen, sehen andere den neuen Parlamentsvorstand als zu nahe an den Altparteien. Klar ist in diesem Kontext: Erfolg und Misserfolg der neuen Regierung werden auch weiterhin stark von der Mobilisierung der sozialen Bewegungen abhängen.

Der Druck muss bleiben!

Ohne die massiven sozialen Proteste und insbesondere ohne die Mobilisiernugskraft und Ausdauer der indigenen Bewegung wäre der Machtwechsel nicht gelungen. Nach Jahren der Ausgrenzung und Verfolgung hat die Zivilgesellschaft jetzt die Chance auf Konsolidierung, den Ausbau ihrer Organisationen und die Umsetzung von Menschen- und Bürger*innenrechten. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit autoritären und korrupten Regierungen hat das politische Bewusstsein gestärkt, ebenso wie die Überzeugung, dass die Teilnahme und die Ausübung des Rechts zu protestieren konkrete transformative Auswirkungen haben können. Eine der Herausforderungen besteht nun darin, weiterhin Druck auszuüben, um sicherzustellen, dass die erhobenen Forderungen Umsetzung finden und die Interessen aller gesellschaftlicher Gruppen in der Regierung vertreten sind. Der Umgang der Regierung mit den Mega-Infrastrukturprojekten, die Umwelt und lokale Gemeinschaften bedrohen, könnte dafür ein Lakmustest werden.

Stärkung der Basisgesundheitsversorgung

Zu den ersten Aktivitäten des neuen Präsidenten Bernardo Arévalo gehörte ein Besuch des indigen geprägte Departaments Sololá. Begleitet wurde er dabei von seinem Gesundheitsminister Óscar Cordón. Dort unterzeichneten die beiden mit den Gesundheitsbehörden und Hebammen des Landkreises einen «Gesundheitspakt». Dieser soll die «kulturellen und institutionellen Systeme anerkennen» und der indigenen Bevölkerung unter «Berücksichtigung der kulturellen Relevanz» eine bessere Gesundheitsversorgung bieten. Damit reagiert Arévalo auf die Kritik indigener Organisationen, dass beispielsweise die traditionellen Hebammen im offiziellen Gesundheitssystem nicht anerkannt werden. Auch für die medico-Partner*innen in Guatemala ist dies eine überaus erfreuliche Entwicklung. 

Bild: @BernardoArévalo Twitter/X