Während der Corona-Pandemie zeigt sich verstärkt, welch wichtige Rolle traditionelle Hebammen und Pflanzenheiler*innen in der Gesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten übernehmen. Unterstützung und Anerkennung von der Regierung erhalten sie weiterhin keine. [Edith Bitschnau, Februar 2022]

Edith Bitschnau

Drei Jahre ist es nun her, seit ich die Projekte der Selbsthilfevereinigung kriegsversehrter Menschen Manuel Tot (AGPD) besuchen konnte. Seither war der Austausch wegen Corona auf digitale Kanäle begrenzt. Dank der Professionalität des Koordinationsteams und des Vorstandes von AGPD kann so die regelmässige Berichterstattung gewährleistet werden. Für die Weiterentwicklung der Programme braucht es jedoch auch Beziehungspflege. Persönliche Eindrücke, Begegnungen und Gespräche der Projektreisen und der direkte Austausch mit den Hebammen und dem ‹Pflanzendoktor› Don Lorenzo, die keine Computer und Smartphones besitzen, fehlen zurzeit. Dieses Jahr wird hoffentlich ein Besuch in Guatemala wieder möglich sein.


«¡Fuera corruptos!»

Die politische und ökologische Lage in Guatemala ist ernüchternd: Die Umweltzerstörung durch multinationale Konzerne wie auch der Klimawandel bedrohen zusehends die Lebensgrundlagen auf dem Land. Modellhaft zeigen dies die langanhaltenden Auswirkungen der beiden Hurrikane Eta und Iota und die Proteste gegen die Schweizer Nickelmine Fénix der Solway Investment Group mit Sitz in Zug. Statt strafrechtlicher Untersuchungen von Konzerntätigkeiten reagiert die Regierung mit Repression und Ausgangssperren gegen die indigene Bevölkerung und mit der Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger*innen und NGOs. Zudem hat die Corona-Krise die Armut noch verstärkt und infolge von Korruption und Regierungsversagen ist der Zugang zu Covid-19-Impfstoff insbesondere für die ländliche und indigene Bevölkerung erschwert. Ihre gesamte Wut und Verzweiflung über die Misswirtschaft und die Untätigkeit der Regierung brachte die Bevölkerung in einem landesweiten Streik zum Ausdruck. Die klare Hauptforderung: Der Rücktritt des Präsidenten Alejandro Giammattei und der korrupten Generalstaatsanwältin Consuelo Porras. Die klare Antwort: Repression gegen Protestierende, weitere Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume und die juristische Verfolgung von leitenden Personen der Korruptionsbekämpfung.

Vertrauen zählt in der Krise doppelt

Wo staatliche Infrastruktur und Dienstleistungen fehlen, übernehmen Organisationen wie die Selbsthilfevereinigung AGPD überlebenswichtige Aufgaben in den Gemeinden. Seit 2009 unterstützt medico international schweiz die Ausbildungskurse für Hebammen. Wie wichtig die traditionellen Hebammen für die Basisgesundheitsversorgung sind, hat sich in den vergangenen zwei Jahren noch einmal bestätigt. «In den ländlichen Gemeinden werden im Moment mehr als 90% der Geburten von traditionellen Hebammen betreut. Ohne sie wäre die Lage katastrophal und die Zahl der Mütter- und Säuglingssterblichkeit würde in die Höhe schnellen,» berichtet die kubanische Ärztin Tania María Perez, die seit vierzehn Monaten in Guatemala arbeitet. Während der Pandemie hätten die Hebammen auch die primäre Gesundheitsversorgung in den Gemeinden übernommen. Denn aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit oder aus Angst vor einer Ansteckung hätten es viele Menschen unterlassen, bei Krankheitssymptomen das nächste Gesundheitszentrum aufzusuchen. Lieber suchten sie Hilfe bei der im Dorf bekannten Hebamme. Die traditionellen Hebammen sind in Guatemala heute zwar vom Gesundheitsministerium anerkannt und dürfen offiziell Geburten begleiten. Eine feste Entlöhnung oder Unterstützung, zum Beispiel in Form von Schutzmaterial während der Pandemie, erhalten sie jedoch weiterhin nicht. Die AGPD unterstützt die Hebammen mit bescheidenen Ausrüstungskits. Bezahlt werden sie für ihre Dienste von den Familien oft in Naturalien.

Gesundheit aus dem eigenen Garten

Die von der AGPD organisierten Ausbildungskurse in Pflanzenheilkunde sind seit der neuesten Gesundheitskrise noch gefragter und das Angebot konnte auf weitere Gemeinden ausgebaut werden. Die Arbeit mit Heilpflanzen verleiht den AGPD-Mitgliedern neuen Tatendrang. Sie steht im Kontext der historischen Erinnerung und der Wiederbelebung des traditionellen Wissens der Maya-Bevölkerung und trägt somit auch zur seelischen Heilung der Traumata aus dem internen bewaffneten Konflikt bei. Neben Kenntnissen zur Wirkung von Heilpflanzen und der Herstellung von Naturheilmitteln legen die Kurse den Schwerpunkt auf eine ausgewogene Ernährung als Basis für eine gute Gesundheit. Guatemala hat eine der höchsten Raten an chronischer Mangelernährung weltweit. Die Fehlernährung führt zu einer erhöhten Rate an chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf Problemen oder Diabetes. Unter dem Leitsatz Kochen für eine gute Gesundheit lernen die Kursteilnehmenden, wie sie ihre Essensgewohnheiten mit einfachen Rezepten verändern können und welche Nährstoffe und therapeutische Wirkungen lokale Früchte, Gemüse und Kräuter besitzen. «In einer Gesellschaft mit einer hohen Armutsrate müssen wir wieder lernen, zu essen, um uns zu ernähren und nicht nur, um zu überleben,» so der Bericht der AGPD zu den Kursen der Pflanzenheilkunde.

Trotz Corona viele Aktivitäten

Auch alle anderen Programme der AGPD laufen erfolgreich weiter: Trotz Einschränkungen durch die Corona-Pandemie erhielten die kriegsversehrten Mitglieder der AGPD auch im letzten Jahr nötige Spezialbehandlungen, chirurgische Eingriffe und neue Prothesen, und die Ausbildungs- und Reintegrationsprogramme in den Bereichen Viehzucht, Fischzucht, Aufforstung, Landwirtschaft und der Produktion von Pflanzenkosmetik wurden weiter