Die medico-Partnerorganisation Palestinian Medical Relief Society (PMRS) arbeitet weiterhin unter lebensgefährlichen Bedingungen im Gazastreifen. Die angekündigte Waffenruhe hat für die Menschen in Gaza kaum Entlastung gebracht. Am 20. Oktober 2025 erreichte uns ein aktuelles Lage-Update von PMRS-Koordinator Dr. Bassam Zaaqout aus Gaza, das wir hier aus dem Englisch übersetzt teilen.

Dr. Bassam Zaaqout, PMRS-Gaza

Provisorischer Gesundheitsposten der Palestinian Medical Relief Society im Gazastreifen. Bild: PMRS

Die Lage im «Waffenstillstand» bleibt lebensgefährlich und fragil

Auch wenn die Angriffe in einigen Gebieten vorübergehend abgenommen haben, ist die Situation für die Menschen in Gaza weiterhin von Unsicherheit geprägt. Jederzeit kann die Gewalt erneut eskalieren – ein echter Schutz besteht nicht. Die Lebensbedingungen haben sich nicht verbessert: Hunderttausende vertriebene Familien leben weiterhin in überfüllten Notunterkünften, ohne ausreichende sanitäre Versorgung, ohne Strom, ohne sauberes Wasser und ohne das Nötigste zum Überleben. Für die Bevölkerung – und für unsere medizinischen Teams – bleiben die Risiken hoch: Plötzliche Wiederaufnahme der Bombardierungen, eingeschränkter humanitärer Zugang, zerstörte Strassen und Gesundheitseinrichtungen, Blindgänger in Wohngebieten sowie chronischer Mangel an Treibstoff, Medikamenten und Ersatzteilen. Ein Waffenstillstand ohne garantierten Zugang für Hilfe, Schutz für Gesundheitspersonal und Bewegungsfreiheit für humanitäre Einsätze kann kein wirklicher Schutz sein!

Wieder aufbauen, wo fast alles zerstört ist

Durch die Zerstörung eines Grossteils unserer Gesundheitszentren, vor allem im Norden des Gazastreifens, suchen wir derzeit nach neuen Möglichkeiten, die medizinische Versorgung dort wieder aufzubauen, während wir im Süden unsere Notfallarbeit über Primärversorgungszentren, medizinische Anlaufstellen und mobile Kliniken fortsetzen. Aktuell konnten wir in Gaza-Stadt zwei medizinische Punkte im Norden provisorisch reaktivieren, weitere zwei Zentren in Vorbereitung bringen und eine mobile Klinik und zwei mobile Wundversorgungsteams im Einsatz halten. Doch unsere Fortschritte stehen auf der Kippe: Ohne Treibstoff, Materialien und Medikamente können wir weder reparieren noch ausbauen. Baumaterialien sind kaum zu bekommen – und wenn, dann zu unerschwinglichen Preisen.

Was jetzt Priorität hat

Die medizinischen Bedürfnisse sind enorm. Unsere Prioritäten werden bestimmt durch die hohe Zahl an vermeidbaren Erkrankungen und Verletzungen sowie den Zusammenbruch der regulären Gesundheitsversorgung:

  • Basisgesundheitsversorgung: Akute und chronische Erkrankungen, Schwangerschaftsvorsorge, Impfkontrollen
  • Wund- und Traumaversorgung: Infektionskontrolle zur Verhinderung von Amputationen und Sepsis
  • Ernährung: Screening und Versorgung von unterernährten Kindern sowie schwangeren und stillenden Frauen
  • Psychische Gesundheit: Psychologische Erste Hilfe, Traumabegleitung – besonders für Kinder
  • Rehabilitation: Frührehabilitation von Kriegsverletzten und Unterstützung für Menschen mit Behinderung
  • Gesundheitsschutz: Seuchenüberwachung, Hygieneschulungen in Notlagern, Trinkwassersicherheit

Da feste Zentren überlastet sind, bauen wir unsere mobilen Einsätze aus – doch Material- und Medikamentenmangel zwingt uns zu harten Priorisierungen und Triagen.

Medizinische Hilfe erreicht Gaza – aber bei weitem nicht genug

Einige Hilfslieferungen haben Gaza erreicht, doch sie reichen nicht aus. Besonders knapp sind: Antibiotika, Insulin, Herz-Kreislauf-Medikamente, Anästhetika und Schmerzmittel,  Verbandsmaterial und Laborbedarf, Treibstoff für Kühlketten, Generatoren und Ambulanzen. Planbare und sichere Versorgungskorridore sowie vereinfachte Genehmigungsverfahren sind dringend nötig, damit Hilfe endlich im erforderlichen Umfang nach Gaza gelangen kann. Ohne sichere und planbare Versorgungswege bleibt Hilfe ein Wettlauf gegen die Zeit!

Unsere Botschaft an die Unterstützer:innen von medico

Eure Solidarität rettet Leben! Drei Dinge machen im Moment den grössten Unterschied:

  1. Flexible, verlässliche Unterstützung über mehrere Monate – damit wir Personal, Treibstoff und Medikamente sichern können.
  2. Schutz für Gesundheitsarbeit – nutzt eure Stimmen, um sichere Zugänge und Bewegungsfreiheit für Patient*innen und medizinische Teams einzufordern.
  3. Lebensrettende medizinische Güter – Medikamente, Verbandsmaterial, Ernährungshilfen, Reha-Ausrüstung und Treibstoff.

Mitten in Verlust und Ungewissheit erleben wir täglich Momente von Mut und Menschlichkeit.
Mit eurer Unterstützung bleibt PMRS an der Seite der Menschen in Gaza – wir behandeln, hören zu und geben Würde zurück!