Trotz des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas, der nur teilweise eingehalten wird, ist die humanitäre Lage in Gaza weiterhin katastrophal. Zehn Schweizer Organisationen, Bewegungen und Parteien rufen den Bundesrat in einem offenen Brief auf, endlich zu handeln. Die Schweiz versagt darin, die Ursachen der Ungerechtigkeit zu bekämpfen und den Genozid in Gaza zu stoppen.

Nationalen Kundgebung zur Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Gaza in Bern im Juni 2025. ©Lukas Erni

Der Bundesrat hat Anfang November seine sofortige Unterstützung für den US-amerikanischen «Friedensplan» für Gaza angekündigt, was ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Menschenrechte aufwirft. Jeder Plan, der die Fehler früherer Initiativen wiederholt und die Menschenrechte, das internationale Recht sowie die Ursachen von Ungerechtigkeit ignoriert, kann keine gerechte und nachhaltige Zukunft für die Menschen in Israel und im besetzten palästinensischen Gebiet sichern. Am 17. November hat der Uno-Sicherheitsrat eine Resolution zu diesem Thema verabschiedet. Diese geht jedoch nicht auf grundlegende Anliegen ein, wie beispielsweise die Achtung des Völkerrechts, das Recht auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes oder Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer.

Humanitäre Lage bleibt katastrophal

Trotz des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas, welcher nur teilweise eingehalten wird, ist die humanitäre Lage in Gaza immer noch katastrophal. Die Gewalt durch die israelische Armee in Gaza hält an, und Siedlergruppen eskalieren ihre Gewalt im Westjordanland. Die humanitäre Hilfe erreicht immer noch nicht die rund zwei Millionen Palästinenser*innen, die sie brauchen, im Umfang wie es in der Vereinbarung vorgesehen wäre. Wir sind besorgt, dass die Erklärungen und Massnahmen des Bundesrats den anhaltenden Verstössen gegen das Völkerrecht und den unhaltbaren Lebensbedingungen der Menschen im Gazastreifen sowie im Westjordanland nicht gerecht werden. Die aktuellen Bemühungen reichen nicht aus, um sicherzustellen, dass die Palästinenser*innen an allen Entscheidungen über die Zukunft des besetzten palästinensischen Gebiets, dessen Verwaltung und der Ausübung ihrer Rechte teilhaben können.

Im Einklang mit den Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs und angesichts ihrer besonderen Verantwortung muss die Schweiz diese Grundsätze wahren, indem sie dazu beiträgt, den Völkermord, die Apartheid und die Besatzung zu beenden.

Forderungen der unterzeichnenden Organisationen

Die unterzeichnenden Organisationen, Bewegungen und Parteien setzen sich seit vielen Jahren durch friedliches Engagement und die Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit und friedliche Versammlung für den Respekt der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Region ein. Die Unterzeichnenden fordern den Bundesrat mit ihrem offenen Brief in sieben Punkten zum Handeln auf.

  1. Schutz der Zivilbevölkerung und Beendigung des Völkermords: Die Schweiz muss den Völkermord in Gaza klar als solchen anerkennen und verurteilen, sein sofortiges Ende verlangen sowie darauf hinwirken, einen dauerhaften und ungehinderten humanitären Zugang im Gazastreifen durchzusetzen. Die Unterzeichnenden schliessen sich der Einstufung als Völkermord an, die von zahlreichen Expert*innen und u.a. einer unabhängigen Uno-Untersuchungskommission (COI) bestätigt wurde.
  2. Selbstbestimmung, Rückkehrrecht und Gleichberechtigung für die Palästinenser*innen: Die Schweiz muss das Recht des palästinensischen Volkes auf kollektive und individuelle Selbstbestimmung sowie das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge gemäss Resolution 194 der Vereinten Nationen anerkennen und sich entschieden für deren konkrete Umsetzung einsetzen.
  3. Ende der Besatzung, des Apartheid-Systems und der Zwangsvertreibung der Palästinenser*innen durch Israel: Die Schweiz muss die völkerrechtswidrige israelische Besatzung und das Apartheid-System klar verurteilen, für deren Beendigung eintreten, die von der israelischen Regierung geäusserten Absichten der ethnischen Säuberung und die Zwangsvertreibung der Palästinenser*innen verurteilen und das Recht der Palästinenser*innen anerkennen, sich gegen diese Besatzung zu wehren, sofern dieser Widerstand im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgt.
  4. Freilassung aller palästinensischen Opfer willkürlicher Inhaftierung: Die Schweiz muss sich für die Freilassung aller palästinensischen Opfer illegaler Inhaftierung einsetzen.
  5. Verantwortung Israels und Einhaltung des Völkerrechts: Die Schweiz muss ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Genfer Konvention und der Völkermordkonvention, nachkommen. Sie soll für deren Umsetzung und Einhaltung sorgen und die entsprechenden Entscheidungen, insbesondere des Internationalen Strafgerichtshofs und des Internationalen Gerichtshofs, umsetzen.
  6. Keine militärische Zusammenarbeit mit einer Regierung, die Völkermord begeht: Die Schweiz muss ihren laufenden Vertrag mit Elbit Systems kündigen und unverzüglich alle Importe und Exporte von Kriegsmaterial, Lieferungen von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-Use-Güter) sowie jegliche militärische Zusammenarbeit mit Israel, einschliesslich Forschungsprogrammen, einstellen.
  7. Kein Handel, der zu Völkermord, illegaler Besatzung und Apartheid beiträgt: Die Schweiz muss alle Handels- und Investitionsbeziehungen verbieten, die zur illegalen Besatzung, Apartheid oder zum Völkermord durch Israel beitragen oder in direktem Zusammenhang damit stehen. Das Freihandelsabkommen mit Israel sollte ausgesetzt werden, solange diese Verbrechen andauern.

Unterzeichnende Organisationen, Bewegungen und Parteien:

  • Amnesty International
  • Palestine Solidarity Switzerland
  • Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina JVJP
  • Fédération Suisse Palestine (FSP)
  • medico international schweiz
  • Campax
  • GSoA
  • SP Schweiz
  • Junge Grüne Schweiz
  • GRÜNE Schweiz