Bukeles Regierung schränkt hart erkämpfte Frauenrechte massiv ein: Sexualerziehung ist verboten, und die Fälle sexualisierter Gewalt steigen. Die Gruppe «Mujeres Libres» entwickelt dennoch kreative Wege, um Jugendliche aufzuklären und zu stärken.
Angelika Stutz
Aufführung der Theatergruppe «Frauen aus Stahl»
«In El Salvador ist es kaum mehr möglich, frei über sexuelle und reproduktive Rechte zu sprechen. Selbst der Sexualunterricht an Schulen ist verboten worden», bestätigt die Koordinatorin der medico-Partnerorganisation «Mujeres Libres». Das Land macht unter der aktuellen Regierung grosse Rückschritte in Sachen Frauenrechte: Emanzipatorische Bildung wird gezielt unterdrückt, während religiöse Werte und traditionelle Rollenbilder gefördert werden. So wird Jugendlichen der Zugang zu Themen wie Verhütung und einvernehmliche Beziehungen verwehrt – ein Klima, das die Gewaltkultur gegen Frauen weiter befeuert.
Gewalt an Frauen ist weltweit oft ein Tabuthema, und den Betroffenen wird nicht selten zumindest eine Mitschuld zugeschrieben. In El Salvador wird Gewalt in Partnerschaften ebenfalls oft als «Beziehungsproblem» heruntergespielt und bleibt meist ohne Konsequenzen – besonders dann, wenn sie Frauen aus ländlichen oder einkommensschwachen Regionen betrifft. Die meisten Frauen der «Mujeres Libres» haben selbst verschiedene Formen von persönlicher und struktureller Gewalt erlebt. Ihre Erfahrungen sind individuell, doch sie teilen die Überzeugung, dass nur gemeinschaftliches Handeln wirksamen Schutz vor Gewalt bieten kann. In einem Kontext zunehmender Repression wird ihr Einsatz für kollektive Verantwortung, Aufklärung und Prävention zur Herausforderung.
Ein Mitglied der Gruppe argumentiert: «Wir haben selbst erfahren, wie wichtig es ist, die Gemeinden über die von ihnen erzeugte Gewalt und die Auswirkungen von Fehlinformationen auf unsere Kinder und Jugendlichen aufzuklären. Wie sollen wir diese Arbeit weiter machen, ohne über sexuelle Rechte, Gender oder Frauenrechte zu sprechen?»
Angesichts der schwierigen Situation in El Salvador entwickelten die «Mujeres Libres» die Idee, Theater als kreatives Instrument einzusetzen, um Mädchen und Frauen zu erreichen und wichtige Botschaften zu vermitteln. 2023 beschlossen einige von ihnen, unter dem Namen «Mujeres de Acero» (Frauen aus Stahl) ihr erstes Theaterstück zu schreiben und in ländlichen Gemeinden aufzuführen. So entstand «Der Besuch des Alten», ein Stück, das Mythen und Stigmen über die Menstruation entkräften soll. «Wenn junge Frauen ihre Tage bekommen, wird ihnen gesagt, dass sie von einem alten Mann besucht werden. Ich fand das immer sehr gruselig», berichtet eine der Schauspielerinnen. Und ihre Kollegin ergänzt, dass die abwertenden Worte der Erwachsenen sie als Jugendliche stark geprägt haben. Durch das Theater könne sie sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen, damit sich für die Jungen von heute etwas ändere. Sie hält fest: «Es ist mir wichtig, dass die Mädchen – und auch Jungen – wissen, dass die Menstruation etwas Natürliches ist. Wir sind deshalb weder unrein, weniger wert, noch haben eine Sünde begangen, wie uns das früher gesagt wurde. Heute frage ich mich selbst, wie ich den Erwachsenen glauben konnte, die mir rieten, mich während der Menstruation nicht zu waschen, nicht zu klettern und kein Spiegelei zum Frühstück zu essen.»
Zwei Schauspielerinnen der Frauen-Theatergruppe machen sich bereit für ihren Auftritt
«Der Besuch des Alten» fand beim Publikum grossen Anklang und wurde mittlerweile drei Mal so oft aufgeführt als ursprünglich geplant. Seit 2024 werden die «Frauen aus Stahl» von einer Theaterpädagogin unterstützt, die sie bei der Entwicklung der Inhalte und Präsentation berät. Der Erfolg ihres ersten Stücks bestärkte die Schauspielerinnen in ihrem Mut, persönliche Erfahrungen zu teilen und gesellschaftliche Tabuthemen aufzugreifen. Für ihr zweites Stück entschieden sie sich, den Fokus auf familiäre und partnerschaftliche Gewalt zu legen, von der viele junge Frauen betroffen sind. «Um die Darstellerinnen vor möglichen Repressalien zu schützen, werden kritische Szenen als Traum dargestellt. Am Ende des Stücks, verschwindet eine der Hauptfiguren – es bleibt offen, was aus ihr wird … ob sie freiwillig gegangen ist oder nicht. Diese Ungewissheit soll das Publikum zum Nachdenken anregen», erklärt die Theaterpädagogin. Im An-schluss an jede Aufführung wird das Publikum zum gemeinsamen Austausch eingeladen, um Fragen zu stellen und über das Gesehene zu diskutieren.
Seit über zwei Jahren herrscht in El Salvador der Ausnahmezustand. Wegen staatlicher Gewalt und willkürlicher Verhaftungen meiden viele Menschen öffentliche Versammlungen und Events. Auch zu ihrem eigenen Schutz treten die «Mujeres de Acero» nur bei geschlossenen Veranstaltungen auf, die von ihnen bekannten Frauenorganisationen organisiert werden. Die Beraterin erklärt: «In Workshops informiere ich die Theater-Gruppe über ihre Rechte, wie sie diese einfordern und schützen können. Es ist wichtig für die Frauen, die geltenden Gesetze zu kennen, aber unser vorrangiges Ziel ist ihr Schutz – als Einzelpersonen sowie als Kollektiv.» Die Koordinatorin ergänzt: «Unser staatlich anerkannter Verein darf nicht gefährdet werden, deshalb suchen wir nach kreativen Wegen, um auch unter den starken Einschränkungen über Menschen- und Frauenrechte zu sprechen. Wir wollen insbesondere die Jugendlichen in den ländlichen Gemein-den erreichen, damit sie Wege aus der Gewalt finden und ihre Träume verwirklichen können.» Ab Ende November geht die Gruppe mit dem neuen Stück auf Tournee.