Das heikle Thema der innerfamiliären Gewalt wird enttabuisiert und die kubanische Gesellschaft möglichst breit sensibilisiert.
Häusliche Gewalt gibt es überall. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Gewalt durch den eigenen Lebenspartner weltweit die häufigste Ursache für den Tod oder die gesundheitliche Schädigung von Frauen zwischen 16 und 44 Jahren. Innerfamiliäre Gewalt hat viel mit gesellschaftlichen Vorstellungen über Geschlechterrollen in der Familie, in der Paarbeziehung und im sozialen Leben zu tun. Ein befürchteter oder tatsächlicher Machtverlust oder eine Veränderung der gesellschaftlich anerkannten Rolle als Familienoberhaupt sind weit verbreitete Gründe für unkontrollierte Gewaltausbrüche von Männern gegenüber ihren Partnerinnen.

Auch in Kuba finden mehr als die Hälfte der tödlich endenden Gewalttaten gegen Frauen im privaten Umfeld der Familie statt. Dennoch wird über Drohungen und Gewaltakte innerhalb der eigenen vier Wände oft kaum geredet. Sie sind tabu und bleiben daher meist unerkannt. CENESEX will dies ändern.

Erkennen, handeln, fordern

Die kubanische Fachstelle für Sexualerziehung CENESEX hat in Havanna ein Pilotprojekt zur Prävention häuslicher Gewalt und zur Stärkung betroffener Frauen lanciert. Das Präventionsprojekt umfasst drei Schwerpunkte: Situation erkennen, gemeinsam handeln, Rechte einfordern.

In einem ersten Schritt werden ÄrztInnen und GesundheitsarbeiterInnen für häusliche Gewalt sensibilisiert. Dies, weil sie aufgrund ihrer  Arbeit oft einen umfassenden Blick ins Privatleben einer Person oder Familie erhalten. In Weiterbildungen lernen sie Gewaltsituationen frühzeitig zu erkennen und Betroffene über ihre Rechte und Pflichten zu informieren.

In einem zweiten Schritt wird der Kreis der AdressatInnen der Sensibilisierungsarbeit auf SozialarbeiterInnen, PolizistInnen, StaatsanwältInnen und Mitarbeiterinnen von Frauenhäuser ausgeweitet. Auch sie lernen, Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld aus einer Gender- und Rechtsperspektive wahrzunehmen und anzugehen. In der Ausbildung werden Geschlechterbilder und -rollen analysiert, kritisch hinterfragt und Veränderungsmöglichkeiten diskutiert. Die TeilnehmerInnen lernen, Gewalt betroffene Frauen nicht nur als Opfer, sondern als Menschen mit individuellen und auch sexuellen Rechten anzuerkennen.

In einer dritten Projektphase erarbeitet CENESEX ein Handbuch für die Arbeit in Selbsthilfegruppen. Über die Auseinandersetzung mit den Themen Macht- und Geschlechterverhältnisse, sexuelle Rechte, gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt etc. sollen von Gewalt betroffene Frauen ermutigt werden, sich mit ihrer Position zu konfrontieren und ihre Rechte einzufordern. Die Frauen werden in der Gründung von Selbsthilfegruppen und persönlichen Anliegen unterstützt.

Gesellschaftliche Perspektive

medico international schweiz unterstützt dieses Projekt seit 2008. Besonders spannend an der Arbeit von CENESEX erachten wir den Ansatz, häusliche Gewalt nicht primär aus der Perspektive individueller Opfer sondern vielmehr als gesellschaftliches Problem zu definieren. Die Fachstelle für Sexualerziehung will zu einer umfassenden gesellschaftlichen Sensibilisierung beitragen und strebt eine offene, enttabuisierte Debatte an.

medico unterstützt dieses Pilotprojekt während drei Jahren mit jeweils 25'000 Franken.

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