Die globale Gesundheit steckt in der Krise, autoritäre Regierungen schränken zivilgesellschaftliche Räume ein, Menschenrechte stehen unter Druck: Der Einsatz für «Gesundheit für alle» wird immer schwieriger – dennoch kämpfen die medico-Partnerorganisationen weiter.
Alice Froidevaux
Proteste gegen den Genozid in Gaza und gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit vor einer Polizeistation in Tel Aviv. ©Activestills, Oren Ziv
Ob Trump, Bukele, Putin, Ortega oder Erdogan – autoritäre Politik und Repression kritischer Stimmen prägen die Gegenwart. Nationalistische Alleingänge schwächen den Multilateralismus. Milliarden fliessen in Aufrüstung,Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und soziale Sicherheit fehlen. Diese Dynamik gefährdet auch das Menschenrecht auf Gesundheit – und trifft besonders jene, die bereits in Armut und Unsicherheit leben.
Auf der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung in Genf wurde deutlich, wie ernst die Lage der globalen Gesundheit ist. Mit dem Rückzug der USA aus der WHO entfallen rund 20 Prozent des Budgets. Expert*innen warnen, dass Infektionskrankheiten wie Polio, HIV oder Tuberkulose wieder aufflammen könnten – Krankheiten, die bislang massgeblich durch von den USA finanzierte Programme eingedämmt wurden. Der Austritt der USA ist jedoch weit mehr als eine finanzielle Schwächung. Er folgt einer ideologisch motivierten Politik, die grundlegende Gesundheitsrechte in Frage stellt und White Supremacy zementiert. Sie gesteht nur wenigen Privilegierten das Menschsein – und damit Menschenrechte – zu. Diese Verachtung des Rechts auf Gesundheit zeigt sich auch in den zunehmenden, straffrei bleibenden Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen und -personal. Umso fataler ist es, dass die WHO als Forum, in dem solche Verbrechen evidenzbasiert dokumentiert und verurteilt werden, durch den Wegfall von Mitteln massiv geschwächt ist.
Eine besorgniserregende globale Entwicklung ist die zunehmende Einschränkung zivilgesellschaftlicher Räume und Handlungsmöglichkeiten. Unter dem Vorwand von Korruptionsbekämpfung oder nationaler Sicherheit errichten Regierungen Netze aus Gesetzen, Auflagen und Repression. Für NGOs und Menschenrechtsorganisationen bedeutet dies massive Hürden bis hin zum Entzug ihrer Existenzgrundlage. In Nicaragua verfolgt die Regierung seit Jahren eine Politik der vollständigen Kontrolle. Seit 2018 verloren über 5200 NGOs ihren Rechtsstatus, hinzu kommen Vermögens- und Sachbeschlagnahmungen und Auflagen, die eine unabhängige Arbeit praktisch unmöglich machen. Auch eine seit über 30 Jahren aktive medico-Partnerorganisation im Bereich Frauenrechte hat ihre Registrierung und ihr Eigentum verloren. Das von medico unterstützte Frauen- und Geburtsvorbereitungshaus kann mit hohem bürokratischem Aufwand weiterarbeiten – Voraussetzung dafür ist die Durchführung des Projektes in Allianz mit dem Gesundheitsministerium.
Auch in El Salvador greift die Regierung zu drastischen Mitteln. Das neue «Gesetz über ausländische Agenten» droht mit einer 30-prozentigen Steuer auf Überweisungen aus dem Ausland die finanzielle Grundlage vieler Organisationen zu entziehen. Zugleich verschärft die Pflicht zur staatlichen Registrierung die Kontrolle über NGOs und willkürliche Verhaftungen treiben immer mehr Aktivist*innen und Journalist*innen ins Exil. Welche Folgen dies für unsere feministischen Partnerorganisationen hat, ist noch unklar. Unsere langjährige Partnerorganisation Los Angelitos konnte sich registrieren, wird ihre politische Arbeit zur Durchsetzung von Behindertenrechten jedoch neu ausrichten und die Risiken stärker abwägen müssen.
Im Kontext des fast zwei Jahre andauernden Genozids in Gaza verschärft auch die israelische Regierung den Druck auf die Zivilgesellschaft massiv. Neue Gesetzesvorlagen in der Knesset sollen Menschenrechtsorganisationen und ihre Unterstützer*innen zum Schweigen bringen. Kernstück ist die geplante Besteuerung von bis zu 25 Prozent auf Unterstützungsgelder ausländischer Regierungen und NGOs. Darüber hinaus sollen regierungskritische NGOs härter bestraft und ihre Auflösung erleichtert werden. Besonders betroffen sind Organisationen, die Kriegsverbrechen dokumentieren, wie die medico-Partnerorganisation Physicians for Human Rights Israel (PHRI). Ein weiterer Gesetzesentwurf will die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) kriminalisieren und dafür Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren verhängen. Damit wird das Fundament des Völkerrechts gezielt untergraben. Verschärft werden diese Massnahmen durch restriktive Registrierungs- und Einreisebestimmungen, die auch internationale NGOs und Einzelpersonen treffen.
Trotz massiver Herausforderungen setzen unsere Partnerorganisationen ihren Einsatz für das Recht auf Gesundheit unbeirrt fort. Sie sind in ihren lokalen Gemeinschaften verankert und richten sich konsequent nach den Menschenrechten. Mit Mut und Kreativität finden sie Wege, ihre Arbeit weiterzuführen. Aus Sicherheitsgründen können wir nicht immer über alle Initiativen berichten. Gerade in solchen Zeiten bewährt sich unsere Arbeitsweise: die enge Zusammenarbeit mitBasisorganisationen, langjährige Partnerschaften, unsere Unabhängigkeit von staatlichen Geldern. Unsere Partner*innen verbinden konkrete Hilfe mit dem Einsatz für gesellschaftlichen Wandel. Wir stehen solidarisch an ihrer Seite. Umso wichtiger ist es, dass wir sie flexibel unterstützen können. Jede Spende hilft – besonders freie Mittel, die uns und unseren Partnerorganisationen vor Ort ermöglichen schnell zu reagieren und dort präsent zu sein, wo es am dringendsten ist.