Die aktuelle medico-Jahrespartnerschaft unterstützt die Mujeres Libres aus El Salvador dabei, ihre Botschaft über Grenzen hinweg zu tragen – gegen Gewalt an Frauen, für sexuelle und reproduktive Rechte und ein Leben in Würde. Mit Theater als Ausdrucksmittel und Widerstandsform bringen sie ihre Geschichten nach Mexiko und Kolumbien in Frauengefängnisse, Justizministerien sowie Universitäten.
«Die zentrale Botschaft unserer Stücke ist: Jede Frau hat Rechte und muss vor Gewalt geschützt werden. Und jede inhaftierte Frau verdient nach ihrer Entlassung eine zweite Chance – wir sind der lebende Beweis dafür. Keine Lebensgeschichte endet im Gefängnis. Unsere Erfahrungen sollen Mut machen», sagt Teodora Vázquez. Wegen einer Fehlgeburt wurde sie in El Salvador unter dem extrem restriktiven Abtreibungsgesetz zu 30 Jahren Haft verurteilt. Nach ihrer Entlassung gründete sie gemeinsam mit anderen betroffenen Frauen den Verein Mujeres Libres.
Seit Ende 2023 sind alle 73 bekannten Frauen, die in El Salvador wegen geburtshilflicher Notfälle verurteilt wurden und lange Haftstrafen absitzen mussten, wieder frei – die meisten vorzeitig entlassen, dank des Einsatzes bereits entlassener Frauen und internationaler Solidarität. Doch bis heute gelten sie vor dem Staat nicht als unschuldig, sie bleiben offiziell Mörderinnen. Im Verein Mujeres Libres unterstützen sich die Betroffenen gegenseitig beim Weg zurück in Familie und Gesellschaft. Sie finden ein temporäres Zuhause, erhalten medizinische Hilfe und verarbeiten gemeinsam ihre Trauer und Traumata.
2023 gründeten Mitglieder des Vereins die Theatergruppe Mujeres de acero (Frauen aus Stahl). Mit dem Theater fanden sie eine Ausdrucksform, um ihre eigenen Geschichten zu verarbeiten und zugleich andere Mädchen und Frauen über ihre Rechte, ihren Körper sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit aufzuklären. Sie brechen Tabus, machen Mut und vermitteln Zuversicht. Gerade im Kontext zunehmender Repression in El Salvador – wo Frauenrechte massiv eingeschränkt und Sexualaufklärung verboten wird – sind solche kreativen Wege unverzichtbar, um Mädchen und Frauen zu stärken.
Die Geschichten der Frauen von Mujeres Libres stehen exemplarisch für ein Klima struktureller Gewalt gegen Frauen in vielen lateinamerikanischen Gesellschaften – insbesondere gegen Frauen aus armen und marginalisierten Verhältnissen. Machistische Gewalt ist weit verbreitet, patriarchale Strukturen werden durch religiöse Institutionen und autoritäre Regierungen weiter gefestigt. Statt Schutz erfahren viele Frauen Repression, Kriminalisierung und erneute Gewalt. Manche werden wie Teodora und ihre Kolleginnen zu Unrecht inhaftiert, andere durch Notlagen in Straftaten gedrängt. Im Gefängnis werden ihre Rechte ebenfalls verletzt: Es herrschen oft miserable Haftbedingungen und die Frauen erleben erneut sexualisierte Gewalt. Unabhängig von Schuld oder Unschuld gilt: Jede inhaftierte Frau hat Anspruch auf die Einhaltung ihrer Rechte. Nach der Haft stehen zudem viele vor dem Nichts – stigmatisiert, gesellschaftlich und wirtschaftlich ausgegrenzt und oft von ihrer Familie und dem Staat im Stich gelassen. Auch dagegen wehren sich die Mujeres Libres.
Im Kampf für Gerechtigkeit haben sich die Mujeres Libres über Ländergrenzen hinweg vernetzt. Sie sind Teil des lateinamerikanischen Netzwerks Fundiendo Rejas (Gefängnisgitter schmelzen), das sich für die Rechte inhaftierter Frauen und ihre Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben einsetzt. Diese Zusammenarbeit trägt nun Früchte: Dank der engen Verbindung zu Partnerorganisationen in Kolumbien und Mexiko plant die Theatergruppe Mujeres de Acero dort Aufführungen – in Frauengefängnissen, Justizministerien und Universitäten. Gezeigt wird das Stück «Der Widerhall zerbrochener Träume», das von jungen Frauen erzählt, die unter patriarchaler Gewalt und fehlendem Schutz leiden. Nach jeder Vorstellung folgen Gespräche, in denen die Schauspielerinnen auch ihre eigenen Hafterfahrungen teilen – und zeigen, wie ein Neuanfang möglich ist. «In El Salvador wären solche Auftritte unter der aktuellen Regierung undenkbar», sagt Teodora. «Aber Solidarität über Grenzen eröffnet neue Wege. Wir erreichen mehr Frauen, stärken uns gegenseitig – und wachsen selbst weiter. Unser Ziel: möglichst viele Betroffene zu erreichen und mit unserer Arbeit auch Prävention zu leisten, damit sich unsere Geschichten nicht wiederholen.»